Nach der überraschenden Entscheidung der Washington Post, keine Wahlempfehlung für die bevorstehende US-Wahl abzugeben, kündigten rund 200.000 Leserinnen und Leser ihre Abonnements. Alles dazu in den Nachrichten im LSJonline-Mittagsmagazin.
Diese Maßnahme sorgte für kontroverse Diskussionen, da Wahlempfehlungen in amerikanischen Medien eine lange Tradition haben. Amazon-Gründer und Eigentümer der Zeitung, Jeff Bezos, verteidigte den Schritt als Maßnahme gegen den Vorwurf der Parteilichkeit.
Eine Entscheidung mit Wellenwirkung
Die Washington Post ist nicht die einzige Zeitung, die sich in diesem Jahr gegen eine Wahlempfehlung entschieden hat. Auch die Los Angeles Times, ebenfalls ein Traditionsblatt, hatte sich zurückgehalten. Hier ging die Entscheidung auf eine Anordnung des Eigentümers zurück, der dem Team untersagte, eine Empfehlung für Kamala Harris abzugeben. Die Redaktionsleiterin Mariel Garza trat in Folge dessen zurück. Im Gegensatz dazu hatte die New York Times im September ihre Unterstützung für Harris öffentlich gemacht.
Die USA und die Tradition der Wahlempfehlungen
Im Unterschied zu vielen anderen Ländern sind Wahlempfehlungen durch Zeitungen in den USA gang und gäbe. Traditionell beziehen große Medienhäuser im Wahlkampf Stellung und zeigen ihre Unterstützung für einen der Kandidaten. Der Verzicht der Washington Post auf eine Empfehlung sorgte daher für weitreichende Debatten, sowohl in der Medienlandschaft als auch in der Leserschaft.
Der Auslöser: Bezos stoppt Empfehlung
Nach Angaben des Nachrichtensenders NPR ging der Entschluss der Washington Post auf eine Entscheidung Jeff Bezos‘ zurück. Er soll ohne Kenntnis des konkreten Inhalts einen Entwurf für eine Wahlempfehlung zugunsten von Harris gestoppt haben. Die Entscheidung löste innerhalb der Redaktion Empörung und Unmut aus, was zum Rücktritt einiger Mitarbeitender führte. Der frühere Chefredakteur Marty Baron kritisierte den Schritt scharf und bezeichnete ihn als „demokratiegefährdende Feigheit.“
Gegen Parteilichkeit – eine umstrittene Haltung
Bezos begründete seine Entscheidung damit, dass das Vertrauen in die Medien angesichts einer zunehmenden Polarisierung und Skepsis gegenüber der Presse gestärkt werden müsse. Eine Wahlempfehlung könne in diesem Fall als Parteilichkeit ausgelegt werden und somit das Vertrauen weiter erschüttern. Allerdings gestand Bezos ein, dass der Zeitpunkt der Ankündigung unglücklich gewählt war, da er mitten in die heiße Phase des Wahlkampfs fiel.
Die „Washington Post“ und ihre Wahlempfehlungen in der Vergangenheit
In früheren Wahlen hatte die Washington Post deutlich Stellung bezogen: 2016 sprach sie ihre Empfehlung für die demokratische Kandidatin Hillary Clinton aus, 2020 stand sie hinter dem demokratischen Kandidaten Joe Biden. Die jetzige Entscheidung markiert somit einen ungewöhnlichen und zugleich viel diskutierten Bruch mit der eigenen Tradition.